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Fortbildung: “Interaktiv – reflexiv – kreativ” – Bericht

Fortbildung: “Interaktiv – reflexiv – kreativ” – Bericht

Neue methodische Impulse für die Erinnerungsarbeit am Beispiel der KZ-Gedenkstätten Mauthausen und Gusen

Vom 12. bis zum 17. Oktober 2025 fand in Linz und in den KZ-Gedenkstätten Mauthausen und Gusen eine Fortbildung statt, die den 21  Teilnehmenden – vornehmlich Akteur*innen der außerschulischen und schulischen Geschichtsvermittlung und historischen Bildung – die Gelegenheit bot, sich mit neuen methodischen Impulsen für die Gedenkstättenarbeit auseinanderzusetzen. Die unter der Leitung von Theresa Weicht und Zoe Stupp (IBB gGmbH) organisierte Fortbildung sollte dem Wunsch nach der methodischen Erweiterung der Gedenkstättenarbeit durch eine emotionale, kreative und innovative Ebene nachkommen. Diese Methoden sollten nicht nur in thematisch gegliederten Seminartagen vermittelt werden, sondern auch durch die Besichtigung der KZ-Gedenkstätten Mauthausen und Gusen. Ziel der beiden Gedenkstättenbesuche war es, den Teilnehmenden zum einen Einblicke in die dort angewandte Gedenkstättenpädagogik zu gewähren, und sie zum anderen dazu zu ermutigen, diese KZ-Gedenkstätten als potenzielle Ziele für eigene Gedenkstättenfahrten kennenzulernen.


Wie gestaltete sich der Ablauf der Fortbildung?

13. Oktober: Was erwartet uns?

Nach Anreise und erstem Kennenlernen am 12. Oktober, startete die Fortbildung offiziell am Montagmorgen in den Seminarräumen der Tabakfabrik Linz. Unter der Leitfrage „Was erwartet uns?“ wurden die Teilnehmenden mit Hinblick auf die fortbildungsübergreifende Intention der Vermittlung kreativer, interaktiver und reflexiver Methoden dazu eingeladen, sich mittels von Theresa Weicht eingeleiteten kognitiven wie körperlichen theaterpädagogischen Methoden im Plenum vorzustellen. Nach der einleitenden Kennenlernrunde wurden die Teilnehmenden darum gebeten, ihre Erwartung an die Fortbildung, ihre persönlichen Bedürfnisse und Anliegen sowie ihre eigenen methodischen Erfahrungen bezüglich der historisch-politischen Bildungsarbeit zu teilen. Den methodischen Einstieg in das Thema bildete die Methode „Bild des Wortes“, in denen die Teilnehmenden dazu animiert wurden, sich in einem aktiven und spontanen Prozess Assoziationsbegriffe zu dem im Voraus festgelegten Oberbegriff „Erinnerungen“ und eine dazu passende Geste zu überlegen und diese im Plenum vorzuführen.

In einem anschließenden Seminarblock wurde die Leitung an Bernhard Mühleder (KZ-Gedenkstätte Gusen) und Bernhard Kolbe (KZ-Gedenkstätte Mauthausen) übertragen, die den Teilnehmenden eine Einführung in die Geschichte der Gedenkstättenpädagogik in Österreich im Allgemeinen und bezogen auf die KZ-Gedenkstätten Mauthausen und Gusen im Speziellen präsentierten. Die Leitfragen des pädagogischen Konzepts – „Wie war das möglich?“ und „Was hat das mit mir zu tun?“ – ließen bereits Rückschlüsse auf die Interaktivität der Methoden der Gedenkstättenpädagogik zu, mit denen sich die Teilnehmenden im Zuge der nächsten beiden Fortbildungstage persönlich vertraut machen sollten.

Im Anschluss begaben sich die Teilnehmenden auf einen zeitgeschichtlichen Rundgang durch die Stadt Linz, der nicht nur der grundlegenden Orientierung und Kontextualisierung der Stadtgeschichte diente, sondern auch als Anlass galt, die Erinnerungskultur in Österreich (vornehmlich in Linz) zu thematisieren.

14. Oktober: Was war?

Der nächste Tag der Fortbildung fand in der KZ-Gedenkstätte Mauthausen statt. Mühleder und Kolbe führten den Teilnehmenden anhand Luftaufnahmen der Region Linz und Umgebung die geografische Ausbreitung der ehemaligen Konzentrationslager vor Augen. Nach dieser Einführung wurden die Teilnehmenden in zwei Kleingruppen eingeteilt und nahmen an geleiteten Rundgängen durch die Gedenkstätte teil. So lernten sie die interaktiven und dialogischen Elemente der Rundgänge, z.B. durch körperliche Positionierungen zu bestimmten Aussagen, kennen.

Im Anschluss an den Rundgang nahmen die Teilnehmenden im Rahmen einer Methodenwerkstatt an zwei Workshops teil, die – genau wie der Rundgang – unter der Leitung von Mühleder und Kolbe stattfanden.

Der Methodenworkshop setzte sich aus folgenden Workshops zusammen:

  • Workshop „Biografie“: Die Teilnehmenden wählten aus angebotenen Opfer-, Täter- und Umgebungsbiografien eine aus, die sie – nach der Lektüre dieser – mittels eines Fragenkatalogs in Kleingruppen bearbeiten sollten. Ziel war die Sensibilisierung für den Umgang mit Biografien und für die Tatsache, dass wir uns auch immer mit Lücken konfrontiert sehen, die mangels vorhandener Informationen und Quellen teilweise schlichtweg nicht zu füllen sind.
  • Workshop „Museum“: Der Workshop sieht vor, dass die in Kleingruppen eingeteilten Teilnehmenden sich in die Dauerausstellung der Gedenkstätte begeben, um dort mit einer Digitalkamera Fotos von einem Exponat zu machen, das ihnen besonders in Auge gefallen ist. Im Anschluss werden die Fotografien vor Ort gedruckt, um sie auf einem Flip Chart zu befestigen und mit Fragen und Bemerkungen zu beschriften. Den Teilnehmenden wird somit ermöglicht, ihr individuelles Interesse an bestimmten Exponaten zu erkunden und in einem kreativen Prozess zu vertiefen.

In Kombination mit dem Rundgang wurde den Teilnehmenden anhand der aktiven Teilnahme an zwei der dargebotenen Workshops somit ein flächendeckender Einblick in die pädagogischen Angebote und die interaktiven und kreativen Methoden der KZ-Gedenkstätten Mauthausen gewährt.

15. Oktober: Was bleibt?

Der dritte Programmtag der Fortbildung fand in der KZ-Gedenkstätte Gusen statt. Als Einstieg war ein Überblicksrundgang durch Gusen angesetzt, der sich – im anschaulichen Kontrast zur Gedenkstätte Mauthausen – als eine Art Spurensuche gestaltete, auf der die Teilnehmenden eingeladen waren anhand bereitgestellter Materialien und einzelner noch vorhandener Gebäude die Überreste des ehemaligen Konzentrationslagers Gusen I und II zu erschließen. Dadurch wurde die Vorstellungskraft der Teilnehmenden gefordert und gefördert. Im Anschluss an den Rundgang war es den Teilnehmenden möglich, das ehemalige Krematorium und die Dauerausstellung zu besichtigen. Die von den Teilnehmenden geäußerte Frage, wie die Bevölkerung vor Ort die Arbeit der Gedenkstätte sieht und inwiefern es angebracht oder kritisch zu betrachten ist, sich auf dem Grundstück eines ehemaligen Lagers anzusiedeln und dort ein normales Leben zu führen, sorgte für Diskussionen.

Am Nachmittag begaben sich die Teilnehmenden – ausgestattet mit Kopfhörern und Audiogeräten – auf den Audioweg Gusen. Eine Audiocollage aus Interviews mit Zeitzeugen, Opfern und Tätern, aber auch der gegenwärtigen Bevölkerung vor Ort, führte die Teilnehmenden vom renovierten und sich in Privatbesitz befindenden einstigen Haupteingang des Lagers (Jourhaus) bis zum ehemaligen Stollensystem „Bergkristall“, in dem Tausende KZ-Inhaftierte Zwangsarbeit für die Rüstungsindustrie leisten mussten.

16. Oktober: Was nehmen wir mit?

Der vierte Programmtag der Fortbildung wurde wieder von Theresa Weicht moderiert. Unter der Leitfrage „Was nehmen wir mit?“ nahmen die Teilnehmenden in der ersten Hälfte des Seminartages an verschiedenen Stationen einer Kreativwerkstatt teil. Sie besuchten abwechselnd Barcamps, in denen über Thematiken diskutiert werden konnte, die im Verlauf der Fortbildung aufkamen und über die noch Gesprächsbedarf bestand, und Stationen zu kreativen Schreibprozessen, die sie dazu animieren sollten, sich kreativ mit ihren eigenen Erfahrungen bei der Begehung der KZ-Gedenkstätten auseinanderzusetzen.  In einem separaten Raum befanden sich jeweils zwei Teilnehmende in einem intensiven Prozess, der kreativ und technisch von dem Künstler Mojtaba Mousavi geleitet wurde: Die Teilnehmenden hatten zu Beginn der Tagung den Arbeitsauftrag erhalten, einen Ort in den KZ-Gedenkstätten Mauthausen oder Gusen zu fotografieren, der sie berührte. Diese Fotografien wurden, zusätzlich zu zwei bis drei kurzen Assoziationen zur Fotografie, an Mousavi weitergeleitet, der diese Fotografien unter dem Leitbegriff „Licht und Schatten“ als Art Kulisse projizierte, vor der sich die Teilnehmenden individuell mit ihren Fotografien auseinandersetzten und sich – im wahrsten Sinne des Wortes – in diese hineinversetzten. Die Silhouette der Teilnehmenden, die dadurch entstand, dass sich je ein*e Teilnehmende*r vor das eigene, durch einen Projektor an die Wand geworfene, Bild stellte, wurde als neue Bildebene auf dem ursprünglichen Bild verewigt – den Teilnehmenden wurde es so ermöglicht, die eigene Positionierung zu den besuchten Gedenkorten bildlich darzustellen. Auch die im kreativen Schreibprozess entstandenen Texte wurden in die Bilder integriert. Die angefertigten Bilder wurden anschließend im Plenum vorgestellt und von der jeweils abgebildeten Person betitelt.

In der zweiten Tageshälfte fand eine Ideenwerkstatt statt, in der die Teilnehmenden dazu aufgerufen wurden, die Methoden, die sie im Laufe der Fortbildung kennengelernt hatten, im Plenum zu sammeln. Nachdem die Teilnehmenden die Möglichkeit gehabt hatten, Rückfragen zu einzelnen Methoden zu stellen und die Validität der Umsetzung dieser Methoden in der Bildungsarbeit zu diskutieren, sollten die Teilnehmenden in Einzel- oder Kleingruppenarbeit konkrete Konzepte zur Integration der kennengelernten Methoden in die eigene Arbeitspraxis erarbeiten. Die gesammelten Ergebnisse, die thematisch mit der Leitfrage „Was nehmen wir mit?“ verknüpft waren, wurden in einem anschließenden Gallery Walk reflektiert. Ferner bekamen die Teilnehmenden die Möglichkeit, die Aspekte, die ihnen an bestimmten Konzepten besonders gefielen, zu loben, und Fragen zu Unklarheiten sowie konstruktive Kritik zu äußern.

17. Oktober

Am letzten Tag der Fortbildung wurden die im Laufe der Woche gesammelten Erkenntnisse und Ergebnisse ausgelegt und den Teilnehmenden Zeit zur individuellen Reflexion gegeben. Die Teilnehmenden ermutigten sich gegenseitig, die ausgearbeiteten Konzepte in ihre Arbeitsrealität einfließen zu lassen. Im Anschluss folgte eine abschließende Reflexions- und Feedbackrunde, in der die Teilnehmenden – auch in Hinblick auf die zu Beginn der Fortbildung gesammelten Bedürfnisse und Erwartungen – letzte offene Anliegen in der Gruppe besprechen und Rückmeldungen zur Veranstaltung ans Organisationsteam geben konnten. Am Freitagvormittag fand die Fortbildung ein produktives und zukunftsgerichtetes Ende, das auch auf der Motivation der Teilnehmenden aufbaute, die im Zuge der Fortbildung kennengelernten und vertieften interaktiven und kreativen Methoden anzuwenden, zu modifizieren und weiterzutragen.

Ein Bericht von Luisa Plaßmann


Die Veranstaltung war eine Kooperation zwischen der IBB gGmbH, der KZ-Gedenkstätte Mauthausen und der KZ-Gedenkstätte Gusen, und wurde gefördert durch das Bundesministerium für Bildung, Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMBFSFJ) aus dem Kinder- und Jugendplan (KJP) sowie dem Bundesprogramm „Jugend erinnert“.