Methodenfortbildungen: Bildungswerk der Humanistischen Union deckt das Bilderbuffet und füllt den Materialspeicher
Ein Bilderbuffet auf dem Bildschirm und am Ende eine wachsende Materialsammlung für alle: Zwei digitale Methodenfortbildungen mit dem Titel „…irritierende Orte in der historisch-politischen Bildung“ bot die Zentralstelle zur Förderung von Gedenkstättenfahrten vom 14. Oktober bis 18. November 2020 und vom 13. Januar bis 3. Februar 2021 in Kooperation mit dem Bildungswerk der Humanistischen Union und dem Erinnerungsort Alter Schlachthof Düsseldorf an.
Als „irritierende Orte“ bezeichnete das Bildungswerk der Humanistischen Union Lernorte der NS-Geschichte: Besucher wie auch Teamerinnen näherten sich diesen Orten häufig mit der mehr oder weniger unausgesprochenen Erwartung mit Erinnerungsstücken oder historischen Fakten irritiert, verunsichert oder zum Nachdenken angeregt zu werden. NS-Gedenkstätten und Erinnerungsorten werde zudem zunehmend ein hohes Maß an Bildungsaufgaben zugeschrieben, das über die Vermittlung des geschichtlichen Wissens hinausgeht: Gedenkstättenseminare werden demnach häufig mit Anspruch verknüpft, einen Teil zur Menschenrechtsbildung und Demokratieerziehung beizutragen. Entsprechend hoch sind die Erwartungen an die Gestaltung von Gedenkstättenseminaren, schildert das Bildungswerk der Humanistischen Union.
Die Fortbildungen setzten deshalb nicht nur auf innovative Methoden zur Geschichtsvermittlung, sondern thematisierten auch die Rolle der Teamenden, Erwartungshaltungen der Teilnehmenden und auch die Sprache als Vermittlungsmedium. Zudem stellen Jugendliche häufig spannungsreiche Gegenwartsbezüge her: Alltagsrassismus, Antisemitismus und rechte Gewalt sind immer wieder Themen auf den Gedenkstättenfahrten und -seminaren. Häufig sind die Gruppen auch heterogen zusammengesetzt. Unterschiedlich tiefes Vorwissen, persönliche Eindrücke und unterschiedliche Perspektiven auf die Erinnerungsorte müssen aufgefangen und bearbeitet werden. Die Leitung von Gedenkstättenfahrten und –seminaren erfordere daher ein hohes Maß an pädagogischer Erfahrung und Fingerspitzengefühl.
Die Methodenfortbildungen zur Leitung von Gedenkstättenfahrten mit Jugendlichen behandelten deshalb inhaltlich nicht nur Fragen zur Konzeption einer Gedenkstättenfahrt, sondern auch Anregungen zur Vorbereitung mit Bezügen zu lokalen Erinnerungsorten und Ideen, wie das bei den Jugendlichen geweckte Interesse an der NS-Geschichte auch nach Abschluss eines Seminars wachgehalten und mit neuen Projekten fortgeführt werden kann.
Kritisch thematisiert wurden in den Fortbildungen aktuelle Diskurse über kollektives Erinnern und „Gegenwartsbewältigungen“ (Max Czollek) und anhand des Kurzfilms „Mazel Tov Cocktail“ auch die Frage, ob überhaupt aus negativer Geschichte etwas für die Gegenwart zu lernen sei, die der Soziologe Harald Welzer und andere thematisiert haben.
Wie in digitalen Lernformaten üblich, wurden die Inhalte teilweise gemeinsam, in Kleingruppen und Einzelarbeit erarbeitet und zusammengetragen. Am Ende stand eine weiter wachsende Sammlung von Materialien und Praxis-Ideen in einer Cloud bereit, die durch Handreichungen und fertige Methodensammlungen, etwa aus der Arbeit der NS-Dokumentation Ordensburg Vogelsang und aus dem Kontext der Arbeit des Fritz-Bauer-Instituts Frankfurt ergänzt wurden. So schufen die Teilnehmenden einen wachsenden Materialspeicher statt wie sonst üblich einen Methodenkoffer.
Zudem erprobten die Teilnehmenden auch innovative Methoden der Seminararbeit wie das Bilderbuffet, bei dem sich die Teilnehmenden aus 20 angebotenen Fotos bedienen durften, die – nicht immer klar ersichtlich – mit Orten und Themen der NS-Geschichte in Zusammenhang stehen und die Selbst-Vorstellung und den Einstieg in eine offene Diskussion erleichtern – was gerade bei rein digitalen Formaten erfahrungsgemäß schwieriger ist. Für die Feedback-Runden wurden das Fünf-Finger-Feedback, das One-Minute-Feedback und die Stille Diskussion erprobt. Zur digitalen Zusammenarbeit wurden das Padlet und das Jamboard eingesetzt. An kritischen Fragen – etwa israelbezogenem Antisemitismus oder gegenüber Konzepten einer „multidirectional memory (Michael Rothberg) – geriet die Diskussion im digitalen Seminarraum freilich an Grenzen.
Als inspirierend für alle Teilnehmenden erwies sich die heterogene Zusammensetzung der Seminarteilnehmenden: Erfahrene Teamende und Neueinsteigende, ehrenamtlich Tätige und ausgebildete Lehrkräfte, jüngere und ältere führten Fragen und Erfahrungen in einem für alle inspirierenden Austausch zusammen.
Als deutlicher Vorteil der digitalen Fortbildungsformate erwies sich, dass ein großer Kreis von Interessierten erreicht werden konnte. Um einen lebhaften Austausch und eine intensive Zusammenarbeit an den Seminarinhalten zu ermöglichen, sollte die Gruppe der Teilnehmerinnen und Teilnehmer an einer digitalen Fortbildung allerdings auch nicht zu groß sein, so die Erfahrung.
Ein ursprünglich geplanter Besuch des Lernorts Alter Schlachthof Düsseldorf musste Corona-bedingt abgesagt werden.
Alle Fortbildungen wurden gefördert durch die Bundeszentrale für politische Bildung.
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