Jugendliche berichten im IBB Dortmund über ihre Teilnahme an Gedenkstättenfahrten zu Lernorten der NS-Geschichte – 19. September 2019
Die nicht enden wollenden Schütten voller Schuhe in der Gedenkstätte Majdanek. Das beklemmende Gefühl der Enge in Bełżec. Der Geruch von feuchtem Holz und kalter Angst in Auschwitz . Es sind diese Erfahrungen, die im Kopf bleiben, und Eindrücke, die kein noch so gutes Schulbuch vermitteln kann. Sieben Jugendliche aus Dortmund, Waltrop und Haltern erzählten am Donnerstag, 19. September 2019, im Internationalen Bildungs- und Begegnungswerk in Dortmund (IBB gGmbH) über ihre Gedenkstättenfahrten nach Majdanek und Auschwitz in diesem Jahr. Ihre aufmerksamen Zuhörerinnen waren Michelle Müntefering, Staatsministerin für internationale Kulturpolitik im Auswärtigen Amt und SPD-Bundestagsabgeordnete für Herne-Bochum II, und Sabine Poschmann, SPD-Bundestagsabgeordnete aus Dortmund.
„Ich war selbst als 16-Jährige in Bergen- Belsen und hatte als Jugendliche die Gelegenheit, mit einer Zeitzeugin zu sprechen“, erzählte Michelle Müntefering. Diese Begegnung sei für ihr Leben prägend gewesen.
In den Koalitionsverhandlungen setzte sie sich besonders dafür ein, dass mehr Jugendlichen ein Besuch in einer Gedenkstätte ermöglicht wird.
„Uns ist es wichtig, Begegnungen zu ermöglichen, denn Vorurteile entstehen durch fehlende Begegnung“, unterstützte sie Sabine Poschmann, SPD-Bundestagsabgeordnete aus Dortmund.
Mit dem Programm „Jugend erinnert“ wurden die Fördermittel für außerschulische Gedenkstättenfahrten für 2019 und 2020 auf jeweils 1,25 Millionen Euro aufgestockt (nach 750.000 Euro im Jahr 2018). Träger der außerschulischen Jugendarbeit können Fördermittel für Gedenkstättenfahrten bei der IBB gGmbH als Zentralstelle für Gedenkstättenfahrten beantragen. Die beiden Politikerinnen, beheimatet in Dortmund und Herne, interessierte deshalb besonders, welche Erfahrungen die Jugendlichen auf ihren Gedenkstättenfahrten gewonnen hatten.
Verändert habe sie ihre Reise, berichteten die Schülerinnen und Schüler des Joseph-König-Gymnasiums Haltern, der Gesamtschule Gartenstadt aus Dortmund und des Theodor-Heuß-Gymnasiums Waltrop übereinstimmend. Sie hatten sich im Rahmen von Arbeitsgemeinschaften begleitet durch die Auslandsgesellschaft NRW e.V. und das Bildungswerk der Humanistischen Union auf ihre Reisen vorbereitet – und waren dennoch von den Eindrücken vor Ort überrascht:
„Es war erschütternd, diese Mengen von Schuhen und Koffern in Auschwitz zu sehen. Es dauert, bis man begreift, wie viele Menschen ermordet wurden – die bis zuletzt dachten, dass sie weiterleben werden“,
erzählte Paulina (17). Ihre Mitschülerin Sarah (16) hatte nach der Rückkehr einen einstündigen Vortrag in der Schule gehalten. „Man fragt sich plötzlich: Könnte so etwas noch einmal geschehen?“
„Jede Generation muss selbst einen Zugang zur Geschichte finden“,
ermutigte Staatsministerin Müntefering die Jugendlichen. „Das wichtigste ist, dass wir alle aus der Geschichte lernen, denn Demokratie ist nicht selbstverständlich.“ Erinnerungsarbeit sei Zukunftsarbeit und damit Friedensarbeit, sagte sie und zitierte den früheren SPD-Bundeskanzler Willy Brandt: „Ohne Frieden ist alles nichts.“
Erinnerungsarbeit sei heute wichtiger denn je, sagte Matthias C. Tümpel, Vorsitzender des IBB e.V., das sich seit 1986 für eine aktive Erinnerungsarbeit engagiert. „Uns ist immer auch daran gelegen, dass wir kein falsches Bild vermitteln: Auschwitz ist nicht Polen, sondern etwas, was Deutsche gemacht haben. Daneben erleben die Jugendlichen bei einer solchen Fahrt auch das heutige Polen: Ein lebendiges Land mit einer großen Geschichte.“
Fotos: IBB Dortmund – Stephan Schütze
Hier finden Sie den ursprünglichen Bericht auf www.ibb-d.de.